Kurz gesagt: Wer “bekifft” ist, wirkt oft gelöster, fröhlicher, manchmal albern oder verträumt – laut Studien sind auch Dankbarkeit und Inspiration typische Gefühle. Gleichzeitig kann die Selbstkontrolle leicht nachlassen: Die Person ist impulsiver, etwas weniger ordentlich oder vergesslich. Doch das klassische Bild vom antriebslosen „Kiffer“ greift zu kurz – viele Konsumierende bleiben motiviert, arbeiten, führen Beziehungen. Es gibt also kein eindeutiges „Kiffer-Verhalten“ – nur individuelle Reaktionen, die je nach Persönlichkeit, Dosis und Situation sehr unterschiedlich ausfallen können.
Er vergisst den Faden, er lacht zu laut, er isst zu viel, schweigt im Streit und redet dafür endlos über das Universum. Der „Kiffer“ – längst mehr Chiffre als Diagnose – ist zur festen Figur im kulturellen Repertoire geworden. Doch hinter der Fassade des chronisch entspannten Konsumierenden verbergen sich komplexere Fragen: Gibt es wirklich so etwas wie ein typisches “Kifferverhalten”? Oder blicken wir durch die Brille jahrzehntealter Zuschreibungen auf eine Substanz, die heute millionenfach – therapeutisch oder einfach für Entspannung – genutzt wird?
Typisches “Kiffer-Verhalten”: Zwischen Popkultur und Forschungslücke
Die stereotype Figur des “Kiffers” lebt vor allem in Serien, Slacker-Komödien und Internet-Memes – und ist dort erstaunlich beständig. Von Jesse Pinkman in Breaking Bad, der mit ständiger Restverwirrung und Hoodie-Charme irgendwo zwischen Crystal Meth und Joint die Welt brennend beobachtet, über Cheech & Chong, die als wandelnde Rauchschwaden der 70er und 80er in einem endlosen Roadtrip aus Dope, Dummheit und absurden Dialogen durchs Kino stolperten, bis hin zum Dude in The Big Lebowski, der in Bademantel und Flip-Flops durch ein absurdes Universum driftet: Der Cannabiskonsum wird fast durchweg mit Faulheit, Vergesslichkeit, infantilem Humor und Realitätsverlust gleichgesetzt.
Diese überzeichneten Charaktere prägen unser Bild vom „Kiffer“. Was dabei verloren geht, ist die Realität jenseits des Drehbuchs: dass Cannabiskonsumierende aus allen sozialen Schichten kommen, berufstätig sind, Familien haben – und oft gerade nicht dem Popkultur-Klischee entsprechen. Zumindest liefern Studien ein differenzierteres Bild.
Besonders aufschlussreich ist eine aktuelle Untersuchung aus 2024, veröffentlicht unter dem Titel „Chronic Cannabis Use in Everyday Life“. Die Forschenden begleiteten über eine Woche hinweg 260 chronische Konsument:innen, die fünfmal täglich befragt wurden – in Echtzeit. Ziel: die Auswirkungen des High-Seins im Alltag messbar zu machen, jenseits von Klinik, Rückblick oder Vorurteil.

Cannabis-Konsum: Was beim Highsein tatsächlich passiert
Die Ergebnisse zeichnen ein Bild, das der öffentlichen Wahrnehmung widerspricht:
- Mehr positive Emotionen: Wer “high” war, fühlte sich signifikant häufiger glücklich, inspiriert, dankbar und spielerisch.
- Weniger Stress und Angst: Das Highsein reduzierte akute Anspannung und Sorgen – ganz ohne „Hangover“ am nächsten Tag.
- Keine Antriebslosigkeit: Die häufig beschworene „Null-Bock-Haltung“ ließ sich nicht belegen. Weder Motivation noch geistige Anstrengungsbereitschaft waren verringert – im Gegenteil: Einige Vielkonsument:innen zeigten sogar eine höhere Leistungsmotivation.
Was hingegen tatsächlich beeinträchtigt wurde, war die Selbstregulation. Während Verantwortung und Fleiß unangetastet blieben, zeigten sich beim Highsein leichte Einbußen in Selbstdisziplin, Ordnung und Impuls-Kontrolle.
Gibt es die typische „Kiffer-Persönlichkeit“?
In einer anderen Studie verglichen die Forschenden chronische Konsument:innen mit drogenunerfahrenen Kontrollpersonen anhand des Big Five Persönlichkeitsmodells und sogenannter schizotypischer Merkmale – also Eigenschaften, die mit Psychose-Risiken assoziiert sind.
Auch hier ergab sich ein spannendes Bild:
- Mehr Offenheit: Konsumierende waren signifikant offener für neue Erfahrungen – ein Zug, der eng mit Neugier, Kreativität und Nonkonformismus zusammenhängt.
- Weniger Gewissenhaftigkeit: Es zeigte sich geringere Selbstdisziplin und Planung, was gut zur realweltlichen Einschränkung der Selbstregulation aus der 2024er-Studie passt.
- Weniger Verträglichkeit: Konsumierende schnitten etwas schlechter bei Kooperationsbereitschaft und Vertrauen ab – was mit sozialen Spannungen einhergehen kann.
Auffällig war auch: Je länger der Konsum andauerte, desto höher fielen die Werte bei paranoiden Gedanken, ungewöhnlichen Wahrnehmungen und verhaltensbezogener Unordnung (z. B. merkwürdige Sprache, exzentrisches Auftreten).
Allerdings: Negative Symptome wie sozialer Rückzug oder emotionale Verflachung traten nicht verstärkt auf. Auch die oft postulierte Verbindung zwischen Cannabis und Depression ließ sich in dieser Gruppe nicht nachweisen.
Cannabis-Konsumenten: Zwischen Substanzwirkung und Persönlichkeit
Die beiden Studien zeigen: Was oft als „typisches Kiffer-Verhalten“ gilt, hat viele Ursachen – und lässt sich nicht allein auf die Wirkung von Cannabis zurückführen. Es kommt darauf an, wer konsumiert, wie oft und in welchem Umfeld.
Die Studie aus 2024 zeigt zum Beispiel: Wenn Menschen high sind, fühlen sie sich oft glücklicher und entspannter – aber sie sind nicht automatisch faul oder antriebslos, wie das Klischee behauptet. Zwar haben sie in dem Moment etwas weniger Selbstkontrolle und sind etwas impulsiver, aber sie bleiben motiviert und verantwortungsbewusst.
Auch die Studie aus 2012 zeigt, dass regelmäßige Konsumierende in manchen Persönlichkeitsmerkmalen anders ticken als Nicht-Konsumenten: Sie sind offener für neue Erfahrungen, aber auch ein bisschen weniger ordentlich und manchmal etwas misstrauischer. Sozialer Rückzug oder emotionale Kälte wurden hingegen nicht häufiger beobachtet.

Wenn das High kippt: Wer besonders anfällig für psychoseähnliche Symptome ist
Nicht bei allen sorgt der Konsum für eher unauffälliges Verhalten. Eine aktuelle Metaanalyse aus 2024 zeigt, dass Cannabis bei einem Teil der Konsumierenden akute psychoseähnliche Symptome auslösen kann – sogenannte „CAPS“ (Cannabis-Associated Psychotic Symptoms). Dazu zählen paranoide Gedanken, Halluzinationen, extreme Angstzustände oder Realitätsverlust.
Diese Symptome sind meist nur vorübergehend, können aber im Einzelfall so heftig ausfallen, dass ärztliche Hilfe nötig wird. Besonders betroffen: junge Menschen, Frauen und Personen mit psychischen Vorerkrankungen wie bipolarer Störung oder Angststörungen.
Auffällig: In Studien mit Freizeitkonsum traten CAPS bei rund 19 % der Teilnehmenden auf – während sie im medizinischen Kontext nur bei etwa 1,5 % gemeldet wurden. Mögliche Gründe dafür: Ältere Patient:innen, kontrollierte Dosierung und ein höherer CBD-Anteil in medizinischen Cannabisprodukten. Die Studie macht deutlich: Nicht jede:r reagiert gleich auf THC – und das Risiko ist weniger vom Klischee als vom individuellen Profil abhängig.
Cannabisabhängigkeit – wie verhält sich jemand, der süchtig nach Cannabis ist?
Eine aktuelle Studie zum Thema Cannabissucht belegt: Ein Mensch, der abhängig von Cannabis ist, zeigt häufig ein Verhalten, das von Konsumzentrierung, Kontrollverlust und einem schrittweisen Rückzug aus dem sozialen Leben geprägt ist. Die betroffene Person konsumiert meist mehr, als sie ursprünglich beabsichtigt hatte, und unternimmt wiederholt erfolglose Versuche, den Konsum zu reduzieren. Ein erheblicher Teil des Tages dreht sich um Beschaffung, Konsum und Erholung von den Wirkungen – andere Interessen, Pflichten oder Beziehungen treten in den Hintergrund.
Ein typisches Anzeichen sind zudem Cravings, also ein starkes, oft unkontrollierbares Verlangen nach der Substanz. Trotz negativer Folgen – etwa in Schule, Beruf oder Partnerschaft – wird weiter konsumiert. Die Studie betont: Dieser „problematische Gebrauch“ entwickelt sich meist schleichend und ist eng verknüpft mit psychischen Belastungen wie Stress, Angst oder Depression.
Begleitend können sich Entzugserscheinungen zeigen, insbesondere wenn der Konsum plötzlich unterbrochen wird: Reizbarkeit, Schlafstörungen, innere Unruhe, depressive Verstimmung und körperliche Symptome wie Zittern, Kopfschmerzen oder Schwitzen. Diese treten meist innerhalb von 24 Stunden auf, erreichen nach drei Tagen ihren Höhepunkt und können bis zu zwei Wochen andauern. Die betroffene Person wirkt in dieser Phase oft reizbar, zurückgezogen oder antriebslos.
Gleichzeitig können psychische Begleitstörungen wie Angststörungen, Schlafprobleme oder sogar psychotische Episoden auftreten – insbesondere bei Menschen mit entsprechender Veranlagung. Laut Studie ist dieses Verhalten Ausdruck einer klinisch relevanten Störung, die – wie jede andere Sucht – professioneller Unterstützung bedarf.
Unser Tipp: Mehr zum Thema Cannabisabhängigkeit erfährst du in unserem Artikel "Cannabis-Sucht: Alles, was du wissen solltest".

Typisches "Kiffer-Verhalten": Beziehungen mit Cannabis-Konsumenten
Eine Frage, die viele Menschen umtreibt: Wie wirkt sich regelmäßiger Cannabiskonsum eigentlich auf romantische Beziehungen aus? Drei aktuelle Studien liefern erste, empirisch fundierte Antworten. Sie zeigen: Der Umgang mit Cannabis in einer Partnerschaft ist komplex – und hängt weniger von der Substanz selbst ab, als von der Dynamik zwischen den Beteiligten.
1. Unterschiedliche Konsummuster können Konflikte verstärken
2017 untersuchte eine Studie Paare, bei denen nur ein Teil regelmäßig Cannabis konsumierte. Das Ergebnis: In diesen Konstellationen kam es häufiger zu Konflikten, Rückzug und einem weniger konstruktiven Streitverhalten – insbesondere, wenn die konsumierende Person weiblich war und der nicht konsumierende Partner männlich. Paare, bei denen beide Partner entweder konsumierten oder beide abstinent waren, berichteten hingegen über weniger Beziehungsprobleme.
2. Wahrnehmung und Realität klaffen mitunter auseinander
Laut einer Studie aus 2022 bewerten konsumierende Partner:innen ihre Beziehungen häufig positiver, als es objektiv durch Beobachtung messbar ist. Sie verhalten sich in Konfliktsituationen oft zurückhaltender oder vermeiden Auseinandersetzungen – ohne diese selbst als problematisch zu empfinden. Die nicht konsumierende Person hingegen berichtet häufiger von Frustration und emotionaler Distanz.
3. Gemeinsamer Konsum kann als verbindend erlebt werden – muss aber nicht
Eine Studie aus 2020 deutet darauf hin, dass Paare, die gemeinsam Cannabis konsumieren, in den Stunden danach häufiger über Gefühle von Nähe, Intimität und Unterstützung berichten. Dieser Effekt war allerdings am stärksten, wenn beide gleichzeitig konsumierten. Ob das zu einer nachhaltig stabileren Beziehung beiträgt, bleibt offen – die Ergebnisse zeigen lediglich eine kurzfristige emotionale Wirkung.
Cannabis kann Beziehungsmuster beeinflussen – in beide Richtungen
Die Forschung zeigt: Cannabiskonsum in Beziehungen wirkt sich nicht pauschal negativ oder positiv aus – entscheidend sind die Umstände, der Kommunikationsstil und das Maß an gegenseitigem Verständnis. Besonders problematisch scheint es zu werden, wenn der Konsum unausgesprochen bleibt, zu einer Form der Konfliktvermeidung wird oder die Wahrnehmung der Beziehungsqualität verzerrt.
Wie kann man eine Beziehung mit einem Cannabiskonsumenten führen?
Eine Beziehung mit jemandem, der regelmäßig Cannabis konsumiert, kann also funktionieren – vorausgesetzt, beide Partner:innen kommunizieren offen über Erwartungen, Grenzen und Bedürfnisse. Wichtig ist vor allem, dass der Konsum nicht zur Konfliktvermeidung oder zum Rückzug führt, sondern transparent und reflektiert bleibt. Die oben genannten Studien zeigen: Besonders stabil sind Beziehungen, in denen entweder beide Partner konsumieren – oder keiner. Unterschiedliche Konsummuster können dagegen Spannungen fördern. Deshalb gilt: Sprechen hilft. Und auch regelmäßige Check-ins – etwa mit der Frage „Fühlt sich das für uns beide gut an?“ – sind sinnvoll. Letztlich zählt nicht, ob jemand “kifft”, sondern wie achtsam beide mit dem Thema umgehen.
Was eine Beziehung trägt, ist nicht der Konsum – sondern Offenheit, Achtsamkeit und der Mut zur ehrlichen Frage: Wie geht’s uns wirklich damit?
Der „Kiffer“ ist ein Mythos – aber kein leerer
Es wäre zu einfach, „den Kiffer“ nur als Popkultur-Klischee zu entlarven. Denn bestimmte Verhaltensweisen treten gehäuft auf, vor allem im Moment des Highseins – emotional, kognitiv, sozial. Doch diese Effekte sind keine Störung – sondern Momentaufnahmen. Flüchtig, kontextabhängig, meist reversibel. Wer sie verallgemeinert, betreibt keine Aufklärung – sondern Stigmatisierung. Die Wissenschaft spricht eine andere Sprache: Der chronische Konsum verändert manches – aber nicht so, wie es das Klischee behauptet.
FAQ
Wie erkennt man einen “Dauerkiffer”?
Dauerhafter Cannabiskonsum äußert sich nicht zwingend in auffälligem Verhalten. Studien deuten darauf hin, dass chronisch konsumierende Personen teils spontaner, offener für neue Erfahrungen und entspannter wirken, zugleich aber gelegentlich etwas weniger strukturiert oder vergesslich sein können. In Beziehungen zeigen sie häufiger ein zurückhaltendes Konfliktverhalten und nehmen ihre Partnerschaft oft positiver wahr als Außenstehende. Diese Merkmale sind jedoch nicht einheitlich und hängen stark von Persönlichkeit, Konsumkontext und Dosis ab.
Wie sieht ein "Kiffer-Gesicht" aus?
Ein sogenanntes „Kiffer-Gesicht“ ist kein wissenschaftlich belegtes Phänomen, sondern ein Klischee aus der Popkultur. Zwar kann der akute Rausch zu geröteten Augen, hängenden Lidern oder einem verträumten Blick führen – diese Effekte sind jedoch vorübergehend und sagen nichts über langfristigen Konsum aus. Studien zeigen keine dauerhaften Veränderungen im Gesicht von Cannabiskonsumierenden. Wer dauerhaft “kifft”, sieht deshalb nicht zwangsläufig anders aus – das Bild vom „Kiffer-Gesicht“ ist eher Vorurteil als Realität.
Was sollte man tun, wenn jemand “bekifft” ist?
Wenn jemand “bekifft” ist, ist in der Regel kein Eingreifen nötig – sofern die Person entspannt wirkt und sich wohlfühlt. Zeigt sie jedoch Anzeichen von Unruhe, Angst oder Orientierungslosigkeit, hilft es, ruhig zu bleiben, einen sicheren, reizarmen Ort aufzusuchen und beruhigend zu sprechen. Bei starken psychischen Symptomen wie Panik oder Verfolgungswahn sollte ärztliche Hilfe in Erwägung gezogen werden.