Kurz gesagt: Cannabisrauch ist schädlich für die Lunge – wenn auch anders als bei Tabak. Zwar verursacht er seltener eine klassische COPD, doch die Verbrennung von Cannabisblüten setzt zahlreiche reizende und potenziell krebserregende Stoffe frei. Wer regelmäßig raucht, riskiert chronische Bronchitis, Überblähung der Lunge und strukturelle Veränderungen der Atemwege. Die Lunge lässt sich nach dem Konsum nicht „reinigen“ – kein Tee, kein Detox, kein Nahrungsergänzungsmittel kann das rückgängig machen. Was helfen kann, ist der Rauchstopp: Nur dann könnte sich das Lungengewebe langsam stabilisieren und regenerieren – ein Prozess, der Zeit, Ruhe und Geduld braucht. Aber auf den Zustand einer nie belasteten Lunge kommt man meist nicht mehr zurück. Erste Studien zeigen: Schonender als das Rauchen könnte das Verdampfen von Cannabis sein – etwa im Rahmen einer medizinischen Therapie –, weil dabei keine Verbrennungsstoffe entstehen.
Was im Cannabis-Rauch steckt
Cannabis-Rauch ist kein harmloser Dampf. Er entsteht durch die Verbrennung getrockneter Cannabisblüten – ein Prozess, bei dem nicht nur Wirkstoffe wie THC freigesetzt werden, sondern auch eine Vielzahl schädlicher Verbrennungsprodukte. Ähnlich wie Tabakrauch kann Cannabisrauch Substanzen enthalten, die nachweislich Zellen schädigen, die Lunge reizen und das Krebsrisiko erhöhen können. Hinzu kommt: Marihuana wird oft ohne Filter konsumiert, tief inhaliert, lange gehalten und erst dann wieder ausgestoßen – eine Praxis, die die Exposition gegenüber diesen Toxinen zusätzlich verstärkt.

Die stille Frage der Medizin
Die Wissenschaft tastet sich seit Jahren an eine Frage heran, die politisch brisanter ist, als man meinen könnte: Führt das Kiffen zu einer dauerhaften Schädigung der Lunge – ähnlich wie das Rauchen von Zigaretten?
Eine Fall-Kontroll-Studie aus Neuseeland, veröffentlicht im Jahr 2008, hat erstmals präzise Zahlen geliefert. Für jedes Jahr täglichen Cannabiskonsums – ein sogenanntes „Joint-Year“ – steigt demnach das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, um acht Prozent. Besonders auffällig war der Zusammenhang bei Menschen, die langfristig konsumierten: In der höchsten Konsumgruppe war das Risiko mehr als fünfmal so hoch wie bei Nichtkonsumierenden – selbst dann, wenn der Einfluss von Tabak herausgerechnet wurde. Die Autor:innen schlussfolgern, dass ein einzelner Joint, geraucht ohne Filter, in seiner karzinogenen Wirkung etwa zwanzig Tabakzigaretten entsprechen könnte.
Keine Obstruktion, aber Irritation
Doch Krebs ist nicht die einzige denkbare Folge. Was passiert mit der Lunge selbst – unabhängig von malignen Veränderungen? Auch hier lohnt der Blick in die Forschung. Die sogenannte Dunedin-Studie, eine der renommiertesten Langzeituntersuchungen Neuseelands, untersuchte über Jahrzehnte hinweg die Auswirkungen von Cannabis und Tabak auf die Lungenfunktion. Das Ergebnis war differenzierter, als viele erwartet hätten: Während Tabakkonsum erwartungsgemäß zu einer Reduktion des forcierten exspiratorischen Volumens führte – also der Luftmenge, die in einer Sekunde ausgeatmet werden kann –, zeigte Cannabis einen anderen Effekt. Die Lungenkapazität war bei Konsumierenden sogar erhöht. Es trat keine typische Atemwegsverengung auf, der Gasaustausch blieb weitgehend unbeeinträchtigt. Und doch blieb etwas hängen: ein gesteigerter Atemwegswiderstand, eine Art Reizung der großen Bronchien, verbunden mit Husten und Schleimbildung – Symptome einer chronischen Bronchitis.

Die Sache mit der Kombination: Rauchen von Cannabis und Tabak
Diesen Befund stützt auch eine Langzeitstudie, die junge Erwachsene zwischen 21 und 30 Jahren über neun Jahre hinweg begleitete. Bereits mit 30 Jahren zeigten regelmäßige Tabakraucher:innen deutliche Einschränkungen der Lungenfunktion. Cannabis hingegen, so die Autor:innen, habe bei moderatem Gebrauch keine vergleichbare Wirkung. Im Gegenteil: Die Lungenwerte reiner Cannabiskonsumierenden waren ähnlich gut – in Teilen sogar besser – als die der abstinenten Kontrollgruppe. Auffällig: Der kombinierte Konsum von Tabak und Cannabis führte nicht zu zusätzlichen Schäden – das Risiko entsprach dem von Tabak allein.
Zwischen Bronchien und Bronchitis
Doch die Forschung endet nicht bei den Dreißigjährigen. Eine Übersichtsarbeit analysierte 2019 die großen Studien der vergangenen Jahre. Der Befund: Leichter bis moderater Cannabiskonsum – bis etwa 20 Joint-Jahre – scheint die Lungenfunktion nicht nachhaltig zu beeinträchtigen. In einer der Studien, die über 5.000 Menschen ab 40 Jahren einschloss, zeigten reine Cannabiskonsumierende sogar vergleichbare oder leicht erhöhte Lungenvolumina im Vergleich zur Kontrollgruppe. Nur bei starkem Konsum – also mehr als 20 Joint-Jahren – traten in manchen Untersuchungen Hinweise auf verschlechterte Werte auf. Bemerkenswert ist, dass Symptome wie Husten und Keuchen zwar häufig berichtet werden, aber oftmals nach Absetzen des Konsums wieder verschwinden. Eine klassische COPD, eine Lungenkrankheit wie sie bei Zigarettenrauchenden auftreten kann, scheint sich durch Cannabis allein nicht mit der gleichen Regelmäßigkeit zu entwickeln.
Die unterschätzte Konsumform
Eine andere umfassende Übersichtsarbeit unterstreicht: Cannabisrauch wirkt auf die Lunge anders als Tabak. Die typischen Schäden von Zigarettenrauch – Obstruktion, Gasverlust, COPD – finden sich bei Cannabis weniger. Stattdessen zeigen sich Hinweise auf Überblähung, vermehrte Schleimbildung, strukturelle Veränderungen der Bronchien und teils bullöse Erkrankungen – besonders bei starkem, langjährigem Konsum. Kombinierter Konsum mit Tabak scheint besonders schädlich: Hier addieren sich die Risiken, teils sogar mit synergistischem Effekt – etwa bei COPD und Symptomen wie chronischem Husten oder Atemnot.
Entscheidend für die Auswirkungen auf die Lungengesundheit scheint nicht nur die Substanz, sondern die Art der Anwendung. Während gerauchtes Cannabis das Risiko für Atemwegserkrankungen deutlich erhöht, sind alternative Konsumformen wie Vaporizer oder orale Einnahme vermutlich deutlich schonender. Die Studie betont: Für Menschen mit Asthma oder COPD wäre das Verdampfen (nicht Verbrennen) von Cannabis die sicherere Option. Gerade im Rahmen einer medizinischen Cannabistherapie wird Patient:innen deshalb auch häufig das Verdampfen empfohlen – also das Inhalieren von Wirkstoffen ohne Verbrennung.
Eine Kiffer-Lunge reinigen – geht das wirklich?
Die Hoffnung, man könne seine Lunge nach Jahren des Rauchens einfach „reinigen“, hält sich hartnäckig – und ist biologisch gesehen ein Mythos. Viele der durch Tabakrauch verursachten Veränderungen in den Atemwegen, etwa die genetischen Schäden einzelner Zellen oder chronische Umbauprozesse im Lungengewebe, gelten als irreversibel. Eine Studie im Fachjournal Nature hat gezeigt, dass jede einzelne Zelle der Bronchialschleimhaut bei Raucher:innen bis zu 10.000 Mutationen tragen kann – ausgelöst durch die über 60 krebserregenden Substanzen im Zigarettenrauch. Auch Jahrzehnte nach dem letzten Zug bleibt die Lungenfunktion messbar beeinträchtigt. Selbst bei Menschen, die nur wenige Zigaretten pro Tag konsumieren, ist der Abbau der Lungenleistung beschleunigt – wie eine Langzeitstudie zeigte. Zwar verlangsamt sich dieser Abbau nach einem Rauchstopp, doch er erreicht nie wieder das Niveau von Menschen, die nie geraucht haben. Und: Es gibt bislang kein Nahrungsergänzungsmittel, keinen Tee, keinen „Detox-Trick“, der nachweislich hilft, die Lunge zu reinigen oder entstandene Schäden rückgängig zu machen.
Und doch: Die Lunge ist kein starres Organ, sondern ein dynamisches Gewebe mit bemerkenswerter Regenerationskraft. Wissenschaftler:innen fanden heraus, dass sich bei Ex-Raucher:innen zunehmend gesunde, wenig mutierte Zellen in der Bronchialschleimhaut ausbreiten – viermal häufiger als bei Menschen, die weiterhin rauchen. Diese Zellen besitzen längere Telomere und scheinen aus einer Art ruhendem Reparaturreservoir zu stammen. Parallel dazu nimmt die Entzündung in den Atemwegen ab, die Schleimbildung geht zurück, und das Gewebe stabilisiert sich, wie Studien zeigten. Selbst wenn sich eine COPD nicht vollständig heilen lässt – der Krankheitsverlauf könnte verlangsamt, Symptome könnten gemildert werden. Die Lunge lässt sich nicht „reinigen“. Aber sie könnte sich, Stück für Stück, selbst erneuern. Vorausgesetzt, man gibt ihr die Ruhe.
Was wir wissen – und was nicht
Was folgt aus all dem? Sicher ist: Cannabis ist kein Tabak. Es wirkt anders – auf Körper und Geist, auf Zellen und Bronchien. Der Rauch verändert die Lunge, ja. Aber er verengt sie nicht zwangsläufig. Er reizt, doch er blockiert nicht. Er bläht auf – was medizinisch betrachtet kein Vorteil sein muss. Hyperinflation nennt man dieses Phänomen, bei dem sich das Lungenvolumen übermäßig ausdehnt. Es kann harmlos sein, muss es aber nicht bleiben.
Vieles bleibt offen: Was passiert nach Jahrzehnten? Wie wirken sich unterschiedliche Konsumformen langfristig aus – Joint, Bong, Vaporizer? Welche Rolle spielen individuelle Risikofaktoren? Die Wissenschaft ist noch nicht am Ziel. Aber eines ist jetzt schon klar: Wer regelmäßig Cannabis raucht, belastet seine Lunge. Vielleicht weniger als mit Tabak, aber keineswegs folgenlos. Die Lunge kennt keine politischen Debatten. Sie reagiert nur auf das, was man ihr zumutet.
FAQ
Was passiert bei Dauerkiffern mit der Lunge?
Bei regelmäßigem Cannabiskonsum kann es zu Reizungen der Atemwege, chronischem Husten, Schleimbildung und strukturellen Veränderungen in den Bronchien kommen. Anders als beim Tabak ist eine klassische COPD zwar seltener, dennoch zeigen Studien bei Dauerkonsumenten Hinweise auf Überblähung der Lunge (Hyperinflation), Entzündungen und in Einzelfällen auch schwere Lungenerkrankungen wie bullöse Veränderungen – insbesondere bei langjährigem, intensivem Konsum.
Ist es gesünder, einen Joint ohne Tabak zu rauchen?
Ja, aus medizinischer Sicht ist es weniger schädlich, einen Joint ohne Tabak zu rauchen – aber „gesund“ ist es deshalb trotzdem nicht. Tabak enthält Nikotin, das süchtig machen kann, sowie zahlreiche zusätzliche Schadstoffe, die das Risiko für Lungenkrebs, COPD und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen. Wer Cannabis ohne Tabakzusatz konsumiert, vermeidet diese zusätzlichen Belastungen. Studien zeigen zudem, dass der kombinierte Konsum von Cannabis und Tabak besonders schädlich für die Lunge ist – teils mit synergistischen Effekten, etwa bei chronischem Husten oder Atemnot. Aber: Auch der reine Cannabisrauch enthält beim Verbrennen giftige Substanzen. Zudem wird Cannabis oft ohne Filter geraucht und besonders tief inhaliert, was die Lunge zusätzlich belasten kann.
Kiffer-Lunge und Raucher-Lunge – gibt es Unterschiede?
Ja, es gibt Unterschiede: Während Zigarettenrauch typischerweise zu einer Verengung der Atemwege und COPD führt, verursacht Cannabisrauch eher Reizungen, Schleimbildung und eine Überblähung der Lunge.
Woran merkt man, dass man Probleme mit der Lunge hat?
Typische Anzeichen für Lungenprobleme sind chronischer Husten, Kurzatmigkeit, Keuchen, ein Engegefühl in der Brust oder vermehrte Schleimbildung – vor allem beim Atmen oder nach Belastung. Auch häufige Atemwegsinfekte können ein Hinweis sein. Lungenschmerzen selbst spürt man meist als stechenden, ziehenden oder drückenden Schmerz beim Ein- oder Ausatmen. Sie können bei tiefer Atmung, Husten oder Bewegung stärker werden. Wichtig: Die Lunge selbst hat keine Schmerzrezeptoren – was man fühlt, stammt oft aus der Umgebung, etwa von der Lungenhaut (Pleura), der Brustwand oder den Muskeln. Bei solchen Beschwerden sollte man immer ärztlich abklären lassen, was dahintersteckt.